Unterwegs mit «Ride La Val»
Nicci Tschenett
Wie Kanada – nur viel näher
Nicci liebt den Blick ins Val Mora. «Das Tal ist wunderschön, so ursprünglich und ganz anders als gewohnt. Deshalb nennen wir es auch ‘Little Canada’». Früher hat sie hier unten Kühe gemolken und die Alpbeiz bewirtet, heute führt sie lieber Mountainbiker durch das Tal und rundherum. Einheimische Biker haben 2018 die Trailschool Ride La Val gegründet. Nicci war begeistert mit dabei und kann nun ihren Traum leben: Im Sommer ist sie Bikeguide, im Winter Skilehrerin.
Kurvenreich nach Italien
Gemächlich durchs Val Mora zu cruisen, ist landschaftlich ein Traum; aber Nicci mag Trails mit mehr Action lieber. «Die meisten Gäste auch», sagt sie schmunzelnd und nimmt die Abzweigung Richtung Passo del Gallo. «Dort sind wir bereits in Italien und es beginnt eine coole Abfahrt mit vielen Kehren. Diese sind aber nicht so schwierig, wie man beim Blick auf die Karte meinen könnte», erklärt die 30-Jährige und fährt mit viel Tempo voran. Spätestens hier sind die Zweifel bei den vorwiegend männlichen Bike-Gästen verflogen, ob sie mit dem richtigen Guide unterwegs sind.
Die Kunst auf dem Rad zu bleiben
Plötzlich doch noch eine enge Spitzkehre! Nicci meistert sie mit einem eleganten Hüpfer über das Vorderrad. Ihr Tipp: «Immer die Innenlinie wählen. Und ja nicht in den Abgrund oder auf den Lago die Livignio schauen, sondern nach vorne Richtung Trail.» Mit ihren Gästen führt sie gerne Fahrtechnik-Trainings durch. Sie zeigt ihnen zum Beispiel, wie man im Steilgelände vom Bike steigt, das Gelände richtig liest oder geschmeidig um die Kurve lenkt.
Durchatmen für die ewiglange Abfahrt
Über den Passo Val Mora gehts zurück in die Schweiz. Jetzt ist Kraft gefordert, entweder in den Beinen oder in der Batterie des E-Bikes. Denn die Fahrt durch das lange Val Mora zieht sich. Endlich Pause beim sagenumwobenen Stein «Mumma Veglia». Durchatmen für Niccis Lieblingspart: Die lange Abfahrt nach Sta. Maria. «Hier beginnt der Spass so richtig. Wer sich auskennt, fährt alles auf Singletrails, 750 Höhenmeter bergab.»
«Im Val Müstair finde ich endlos viele Trails»
Kinn über den Lenker, Ellenbogen nach aussen – und laufen lassen! Nicci fliegt über den legendären Trail «Hom dal chapè». Sie liebt ihr Heimattal, weil sie hier echte Natur, gute Leute und endlos viele Biketrails findet. «Du kannst eine Woche lang jeden Tag eine andere Tour machen. Und das Gute: Dank dem natürlichen Waldboden bieten die Trails selbst bei nassem Wetter noch Grip.»
Biken und Pilzlen – warum auch nicht?!
Spürt Nicci den Flow, ist sie kaum zu bremsen – ausser sie sieht im Augenwinkel einen Steinpilz oder Eierschwamm aufblitzen. Und dies kommt in der Biosfera Val Müstair nicht selten vor. «Ich liebe Pilzlen. Wenn ich alleine am Biken bin, kann ich plötzlich stundenlag im Wald verweilen und die Zeit vergessen.» Ihr Tipp fürs Pilze putzen: «Mit dem Biketool gehts am besten.»
Hauptsache lachen
Neben dem Biken ist Kochen ihr liebstes Hobby. Und dies tut Nicci auf die gleiche Art und Weise, wie sie Velo fährt: spontan, experimentierfreudig und immer mit einem herzlichen Lachen. «Ich koche nie nach Rezept, sondern kreiere immer meine eigene Version.» Was sie besonders gerne zubereitet, sind Bündner Spezialitäten wie zum Beispiel Capuns. Die Mangoldblätter dazu kann sie im Garten ihrer Mutter in Müstair sammeln.
Mehr über die passionierte Bikerin Nicci Tschenett
Nicci Tschenett ist im Val Müstair aufgewachsen und war schon immer gerne in der Natur und trieb Sport. In jungen Jahren fuhr sie Skirennen. Dabei entdeckte sie ihre Leidenschaft für Geschwindigkeit. Mountainbiken ging sie schon damals oft und gerne, vor allem um Kondition zu trainieren. «Doch meine Kollegen sagten mir immer, ich würde viel zu schnell bergab fahren», lacht sie. Nach dem rennmässigen Skifahren suchte sie eine neue Herausforderung und fing an, auf Trails zu biken. Inzwischen hat sich das Bewegungstalent zum Swiss Cycling Bikeguide ausbilden lassen.
7 Stichworte für Nicci Tschenett
Faszination Mountainbike: «Für mich ist Biken eine Art Fliegen knapp über dem Boden. Ich mag die Abwechslung und das Spielen mit dem Gelände. Und biken macht mich glücklich.»
Bergauf biken: «Ich fahre sehr gerne bergauf. Und ich finde es auch cool, mein Bike auf einen Berg zu tragen. Dann macht die Abfahrt umso mehr Spass.»
Bremsen: «Richtig Bremsen ist schwieriger, als man meint. Wichtig ist erstens, dass man immer Bremsbereitschaft hält. Und zweitens, dass man beide Bremsen gleichzeitig zieht. Viele haben Angst, die Vorderbremse richtig zu betätigen.»
Skifahren: «Ich fahre immer noch gerne Ski, am liebsten im Tiefschnee auf einer Skitour. Und im Winter ist Skifahren mein Beruf. Seit mehr als zehn Jahren arbeite ich bei der Schweizer Schneesportschule Scuol. Ich bin Ausbildungsleiterin und unterrichte gerne Kinder.»
Bürojob: «Ich habe eine KV-Lehre gemacht und weiss, wie es ist, den ganzen Tag im Büro zu sitzen. Und ich habe bald gemerkt, dass ein Bürojob nichts für mich ist.»
Like-a-Bike: «Am Mittwochnachmittag gehe ich mit den einheimischen Kindern regelmässig aufs Velo. Auch mit den ganz Kleinen, die bloss ein Bike ohne Pedalen, ein Like-a-Bike, haben. Das macht den Kindern und mir viel Freude.»
Wandern: «Im Val Müstair hat es sehr viele Wanderwege, doch nicht alle eignen sich zum Biken. Das ist mit ein Grund, warum wir die Trailschool Ride La Val gegründet haben. Wir möchten, dass die Leute auf den richtigen Trails fahren. Und dass sich Wanderer und Biker respektieren.»