Wie der Ofenpass zu seinem Namen kam
Valentin Pitsch
Buffalora – ein Brennpunkt
Die Führung mit Valentin beginnt in Buffalora. Kaum zu glauben, dass sich in dieser idyllischen Ebene mit Flachmoor, wo heute nur noch ein Gasthaus und eine Alp stehen, einst eine Siedlung mit rund 35 Hütten befand. Die Arbeiter der Bergwerke sowie dazugehörige Gewerbe wie Schmiede, Holzfäller, Köhler, Transporteure und Bauern fanden zwischen dem 14. und 18. Jahrhundert hier am Fusse des Ofenpasses ihr Auskommen. Einzelne Überreste dieses Dorfes gibt es noch zu entdecken.
Aufstieg in eine andere Welt
Die gemütliche Wanderung ab Buffalora und vorbei an der Alp bis zu den Stollen dauert rund 1.5 Stunden. Die ehemaligen Minen befinden sich auf einer Anhöhe, vorgelagert zum mächtigen Munt Buffalora. Die Pflanzenwelt wird hier oben langsam karger, einzelne Föhren und Arven ragen aus den Alpenblumenwiesen und zwischen Felsbrocken hervor. Im Sommer weiden Kühe der heimischen Bauern vor dem Panorama der umliegenden, oft schneebedeckten Berggipfel. Ein Stück weiter des Weges befindet sich die Grenze zum Schweizerischen Nationalpark.
Ein echter Knochenjob
Vor den Stollen gibt Valentin seinen Gästen ein original Spitzeisen in die Hand. «Man muss sich vorstellen, dass ein Knappe in der Mine täglich sieben dieser Eisen verbraucht hat. Eine schweisstreibende Arbeit!», erklärt der Gästeführer. Waren die eisenhaltigen Gesteinsbrocken herausgepickelt, wurden sie zerschlagen und im Hochofen geschmolzen. Das Roheisen konnte so vom Gesteinsabfall getrennt und in alle Himmelsrichtungen verkauft werden. Das erneute Schmelzen und Säubern des Rohstoffs sowie die Verarbeitung zu Werkzeugen, Waffen etc. fand andernorts statt.
Ab in den Stollen!
Was man hier im Schummerlicht sieht, lässt erahnen, wie aufwendig die Eisengewinnung war: Zentimeter für Zentimeter haben sich die Arbeiter wortwörtlich ins Berginnere durchgeschlagen. Die Spuren der Spitzeisen im Felsen sind teilweise noch sichtbar und auch über 500 Jahre alte Gleisabschnitte sind erhalten geblieben. Im Moment sind drei Stollen begehbar. Der «Zarcla»-Stollen wird als vierter Stollen momentan restauriert. Valentin hofft, bald alle vier Minen mit seinen Gästen besuchen zu können.
Ehrenamt unter Tage
Dass die Minen heute zugänglich sind, ist dem Verein «Amis da las minieras Val Müstair» zu verdanken. Der Präsident und einige Kollegen sind regelmässig ehrenamtlich mit Pickel und Schaufel zugange, um Stück für Stück tiefer in die Geschichte der Minen im Ofenpassgebiet vorzudringen. Und sie sind noch nicht fertig: Oberhalb der zu besichtigenden Stollen haben sie ein riesiges Bergwerk gefunden, das sich über acht vertikal verbundene Stockwerke erstreckt. Was auch immer sie noch Spannendes entdecken – Valentin Pitsch wird seine Gäste mit Sicherheit begeistert in diese Welt entführen.
Valentin, der Phänologe
Valentin hat eine weitere Leidenschaft, die er auch fotografisch dokumentiert – die Flora des Val Müstair. Diese hat ihm einen spannenden Nebenjob als Phänologe für MeteoSchweiz eingebracht. «Ich melde gemäss Checkliste, wann in Lü an spezifischen Orten welche Pflanzen zu blühen beginnen, Blätter treiben oder Fruchtreife erreichen.» Seine Beobachtungen dienen der Klimaforschung, die auf langen Datenreihen basiert. «Die Pflanzenwelt im Val Müstair fasziniert mich und es macht mir Freude, mein Wissen mit Gästen zu teilen – sei es auf Führungen oder während Vorträgen», schwärmt der Hobby-Biologe und seine Augen glänzen.